»was halten sie davon?« interview im rahmen der master-thesis »akd – antikommunikationsdesign«

benedikt haid, 2010 

benedikt haid: grüß gott herr uebele. 

andreas uebele: hallo herr haid. 

das projekt akd legt den fokus auf die störung, auf die irritation im design. dabei ist, wenn von design die rede ist, auch immer die rede von funktionieren und optimieren, oder von flutschen. also wie ein zuckerl. umso mehr es abgelutscht ist, umso besser schmeckt es eigentlich, umso angenehmer ist es. oder wie die handseife, die eben auch angenehm ist, wenn sie flutscht. akd aber behauptet, dass design eine störung enthalten muss, nicht flutschen darf, um zu gelingen. die frage ist jetzt: glauben sie, dass design störungen, irritationen oder paradoxien enthalten darf? beziehungsweise darf der adler als logo für einen bundestag zum beispiel zu dick oder zu pummelig sein? 

ja, ich glaube nicht an dieses flutschige. ich glaube generell, dass alles, was sperrig ist, unverständlich, irrational oder subversiv ist, – wie sagt man da? – besser ist. bei der literatur ist mir ein hans henny jahnn lieber als ein thomas mann. der bruder heinrich mann ist mir dann eigentlich auch schon wieder lieber. da gibt es ja viele beispiele. oder film. tarkowski ist mir lieber als – alles mögliche, was man sonst eben sehen kann. und das gilt fürs grafikdesign in genau gleichem maße. ich habe nichts gegen eine handwerkliche perfektion, im gegenteil. das würde ich da ausschließen, aus ihrer frage, dafür würde ich es verneinen. ansonsten ein generelles ja, und große zustimmung. das kann ja ganz einfach sein. dass man etwas nicht genau in die mitte setzt, sondern leicht außermittig. oder dass es formen gibt, die sich sperren, gegen den verfall. sie kennen doch unsere arbeit für alsterdorf. wir im büro meinten, das kann man den kunden nicht zeigen, denn es sah hässlich aus. es sah ganz komisch aus. ich dachte, das ist nicht schön, aber es ist richtig und es funktioniert auf seine art und weise. und dann haben wir es präsentiert und gesagt, das braucht ein paar jahre, um sich daran zu gewöhnen. das tritt jetzt so langsam ein. und zum bundes-tagsadler. da ist es sehr interessant, dass der bildhauer ludwig gies, der das gipsrelief des adlers im alten bonner plenarsaal geschaffen hat, lauter unperfektheiten eingebaut hat. die eine schulter ist höher, die brustfedern sind nicht symmetrisch verteilt, und dann hat der vier schwanzfedern, und eine, die linke, ist abgewinkelt, steht ab. später wurde von einem studio eine technisch saubere reinzeichnung angefertigt. es wurden die ganzen störungen herausgenommen. und das verrückte ist, sie sehen es gar nicht auf den ersten blick. wir haben dann für den neuen adler die alte, dickliche, die fette-henne-form erhalten, die anderen störungen nicht. ja, man hätte auch das abspecken müssen. aber ganz ehrlich, das dicke, die gekrümmten linien sind besser. das andere wäre die seife, die flutscht. und dann etwas widerstrebendes, etwas sich sperrendes machen, zu sagen, nein wir machen den fett, so dass es dir zu den mundwinkeln heruntertrieft, das bratfett. und jetzt sage ich als gestalter, und da maße ich mir ein urteil an, das fette, das sperrende ist grafisch auch die bessere form. formal finde ich das besser. also kann man jetzt sagen, wenn etwas sperrt, kommuniziert es besser. 

eine andere frage. orientierungssysteme. zum beispiel für ein krankenhaus. da müssen die dinge funktionieren, und auf anhieb funktionieren. wie kann da eine störung funktionieren? darf design da eine paradoxie, oder ein unverständnis enthalten? 

man kann jetzt ein orientierungssystem für ein krankenhaus so machen: sie schreiben alles ordentlich und brav hin, hoher lesekontrast, schwarz-weiße, große schrift, die man ordentlich lesen kann, und sie positionieren alles an der richtigen stelle mit dem richtigen inhalt. dann haben sie null fehler, dann funktioniert es, dann finden sie ihren weg. und jetzt müssten sie mir eigentlich schon widersprechen. sie haben ja eine theorie. da fehlt die störung. und ich glaube eben genau, dass das nicht funktioniert. sie haben eine gleichartigkeit der information, es sieht alles breiig aus, es flutscht wieder. das ist dann der brei, den man herumrühren kann. ich glaube, sie müssen auch da störungen einbauen. störungen helfen bei der unterscheidbarkeit, sie helfen bei dem aufmerksamkeitswert. hier ist eine information. das ist keine wand und keine werbung. 

 

ist alles okay mit dem band? 

ja, da schlagen nur die balken aus, wenn man etwas sagt. 

und wenn man jetzt wie karl valentin nichts sagt? 

das band hört es trotzdem. 

wir machen gerade ein großes klinikum und eigentlich auch etwas ganz verstörendes. da sind sechzig, achtzig ziele, und jedes ziel hat ein eigenes muster und eine eigene farbkombination. ein overkill ... 

... an grafischer information. 

aber ich kann mir dann mein muster heraussuchen und finde das ziel immer wieder. und es funktioniert mit, weil es schön ist. es freut die leute. wenn du in einem krankenhaus bist, außer man ist jetzt bei einer geburt, sind das ja meist negative momente. und wenn dann die orientierung auch noch nüchtern und sachlich ist und eben nicht stört, dann wirst du davon auch noch alleine gelassen. sonst sieht man es, und schau mal, da hat sich jemand mühe gemacht, es ist schön. es hilft dann zwar nicht bei der diagnose, aber es ist doch ein bisschen aufmerksamkeit.  

vor kurzem haben sie eine ausstellung in innsbruck gemacht, sagen wir, über öffentliches grafikdesign in innsbruck. mit publikation dazu, dem alphabet innsbruck. ich nehme einmal frecherweise an, dass sie nicht wochenlang in innsbruck waren und recherchiert haben, sondern dass sie durch die stadt gegangen sind und wie ein sensor auf grafische unterbrechungen und unregelmäßigkeiten reagiert haben und genau das festgehalten haben. ist das jetzt sozusagen eine sammlung für gelungenes, öffentliches grafikdesign in innsbruck? 

also ihre frage ist natürlich eine bodenlose frechheit. (lacht.) aber, es gibt ja auch hier in der szene konventionen, dass man erst einmal große recherche macht. für jeden grafikdesigner gehört sich das so. ich halte nicht so viel davon. wir machen hier ganz wenig recherche bei unseren projekten. (lacht.) und es ist tatsächlich so. wir sind da zweimal hin, insgesamt zweieinhalb tage, und sind zu zweit durch die stadt spaziert. einer hat fotografiert und einer hat aufgeschrieben. ich bin da einfach durch die stadt, und das was ich sehe, ist der fall. und da ist schlecker drin, obwohl das sieht echt bodenlos schlecht aus, aber es gehört zur stadt. und manche alte sachen aus dem mittelalter sehen übrigens auch schlecht aus und sind schlecht gemacht. und andere waren so vergurkt und schlimm, aber sahen irgendwie lustig aus. und wir haben dann gesagt, das ist es, nimms mit. 

also kann man so sehen und merken, was hält dich auf? 

genau, auch gar nicht systematisch. flaneur. die frage ist: wo bleibt mein auge hängen? man könnte da wahrscheinlich fast jeden grafikdesigner durchschicken und hätte eine deckung von siebzig, achtzig prozent. 

dann kann man sich am schluss darauf einigen, dass design schwäche zeigen darf und muss. 

unbedingt. ich finde es ganz schlimm, wenn dann alles stimmt, dieses protzende design, in dem stimmigkeit auch da suggeriert wird, wo keine ist. das fragile und brüchige ist stärker, kräftiger. es überlebt, glaube ich, auch länger.