interview im rahmen der diplomarbeit »über design«

lisa jacob, 2010 

lisa jacob: was ist für sie design? 

andreas uebele: design kann man ganz einfach übersetzen mit gestaltung. jedes produkt, jedes plakat, jedes buch, jeder schuh, jedes kleidungsstück, jedes auto, jegliche form ist gestaltet. design ist die bewusste formgebung. man gibt einer sache eine form und damit eine gestalt. gestalt ist ein gutes, präzises wort. design hingegen klingt zu vage und allumfassend, wie zum beispiel nail design, hair design usw. design ist kein geschützter begriff wie architekt oder jurist. gestaltung hat etwas mit dem inneren zu tun. es ist nicht nur styling, um eine sache »cool« oder »schick« aussehen zu lassen. das ist albern. gestaltung bedeutet für mich, dinge aus dem inhalt, aus der funktionalität und aus der umgebung heraus zu entwickeln; eben im zusammenhang zu gestalten. der begriff design ist mir eigentlich zu unpräzise.  

ist design ein missverständlicher begriff? 

nein, ist er nicht. man müsste nur in jedem fall fragen, welche art von design gemeint ist. der deutsche begriff für design ist gestaltung. 

was ist der unterschied zwischen design und kunst? wo hört design auf? wo fängt kunst an? 

design ist eine dienstleistung. kunst ist auch eine dienstleistung. (lacht) es gibt auftragsarbeiten, auch in der kunst. also wäre diese unterscheidung falsch. design ist eine an gegebenheiten orientierte dienstleistung, es ist anwendungsorientiert. wenn ich eine teetasse gestalte, die in produktion gehen soll, dann braucht sie einen henkel, sonst funktioniert sie nicht eindeutig. zumindest, wenn wir von westeuropa ausgehen. genauso ist es bei einem plakat. das ist eine gestaltungsaufgabe, die ganz klar umschrieben ist: ein flächiges bild.  

also schafft man kunst aus sich selbst heraus? 

aus sich heraus, das ist mir zu einfach. das finde ich schlecht. ich glaube nicht, dass man etwas aus sich selbst heraus erschafft, es ist wie bei einem bild von sigmar polke: »höhere mächte befahlen: obere linke ecke schwarz ausmalen.« auch in der kunst gibt es immer bezüge und einflüsse. ein gestalter arbeitet nicht aus sich heraus, ein künstler auch nicht. es gibt gesellschaftliche, kulturelle und tradierte parameter. in manchen punkten liegen design und kunst sehr nahe beieinander. es gibt sowohl ein künstlerisches wie ein angewandtes moment. es gibt immer arbeiten, bei denen diese momente zusammenkommen. 

was kann und muss design leisten? 

das ist eine große frage. wenn ich jemanden beauftrage, ein design zu entwickeln, erwarte ich, dass er mir eine pünktliche arbeit liefert, die zeitgemäß und ein stück weit zeitlos ist, dass sie den regeln der kunst entspricht und überrascht. 

ist design wichtig? 

ich finde design extrem wichtig. es ist bedauerlich, dass es nicht die gesellschaftliche anerkennung erfährt, die es verdient hätte. design ist auch eine espresso-kanne, an der ich mir nicht die finger verbrühe, weil sie gut zu halten ist und mit der ich den espresso gut einschenken kann, weil das gleichgewicht stimmt. es macht spaß, einen mac anzuschauen und zu bedienen. das sind produkte, vor allem das iphone, die mit ihrem designkonzept punkten. ich bin naiv und denke, dass wir in unserem bereich ein stück weit die welt verändern können, zum beispiel mit einem orientierungssystem. wir arbeiten meistens im öffentlichen raum. die leute kommen zu uns und sagen: »hey, das habe ich gesehen, als ich neulich auf der messe war. das hat mir gefallen.« das ist doch eine schöne sache: etwas zu erschaffen, das gut funktioniert und an dem sich die menschen erfreuen. 

muss design schön sein? 

ja, unbedingt. das ist die aufgabe: schöne dinge machen. da kann man natürlich fragen: »was ist schön?« wenn design gut ist, wenn es intelligent ist, dann ist es immer schön, auch wenn sich die schönheit nicht auf den ersten blick erschließt. wir haben einmal ein projekt für geistig behinderte menschen in alsterdorf gemacht. die schrift sah wirklich sperrig und komisch aus. ich dachte damals: »das ist richtig, das ist gut und es funktioniert.« es braucht seine zeit, bis man es schön findet. das ist jetzt etwa fünf jahre her und jetzt sieht es gut aus. design muss schön sein. 

ist der beruf des designers schön? 

ja, total. der schönste. 

warum wollen alle design machen? 

da gibt es ein großes missverständnis. design wirkt sexy mit all den glitzernden anzeigen und der bunten werbewelt. deswegen wollen es so viele menschen machen. das ist quatsch. es gibt ganz viele falsche vorstellungen von unserem beruf.  

wie zum beispiel, dass man frei arbeiten und schöne sachen machen kann? 

zum beispiel. früher waren viele unternehmen noch familiengeführt, was es heute nicht mehr oft gibt. das waren industrielle, die für kunst, architektur und design noch richtig viel geld ausgegeben haben. ein gutes beispiel ist hierbei die arbeit von peter behrens für die aeg. heutzutage zählt für unternehmen oft nur effizienz und profit. nichts gegen effizienz, ich versuche auch, mein unternehmen effizient und profitabel zu betreiben. aber es sind nicht mehr die inhaber an entscheidender stelle, die ein risiko eingehen, sondern leute, die auf nummer sicher gehen. solche leute haben von design und seiner wirkung keine ahnung. 

wie kann man diese problematik beheben? 

design gehört meiner meinung nach in den schulunterricht wie englisch. es ist die art, wie wir mit unserer umwelt umgehen. das ist essentiell, denn wir machen sie visuell kaputt. warum gibt es im unterricht musik und nicht design? warum gibt es bildende kunst und nicht angewandte künste?  

sehen laien den unterschied zwischen gutem und schlechtem design? 

dafür muss man zuerst den typ mensch kennen. es gibt menschen, denen man es vermitteln kann, weil sie aufgeschlossen sind und anderen nicht. wenn es sie interessiert, werden sie sich kundig machen. man schaut sich jahrbücher an und welche büros preise gewinnen. die firma bree hat das sehr gut gelöst. sie waren auf der suche nach einer neuen agentur. die geschäftsführer haben recherchiert, welche büros ihnen gefallen und zu ihnen passen könnten. am ende hatten sie neun agenturen in der engeren auswahl. daraufhin sind die geschäftsführer mit den marketingleitern durch ganz deutschland gefahren, um die leute persönlich kennenzulernen und mit ihnen zu sprechen. sie haben sich die ausgesucht, die am wenigsten erfahrung mit der modebranche hatten. damals hatten wir mit corporate design wenig erfahrung, aber sie haben gesagt: »das passt zu uns, der stil gefällt uns.« eine sehr gute vorgehensweise, wie ich finde.  

wie wichtig sind preise? 

preise sind ein marketingtool, ganz einfach. das ist unsere werbung. es gibt keine billigere werbung, bei der man auch noch von seiner konkurrenz bewertet wird. außerdem gibt es kein schöneres lob als das von der eigenen berufsgruppe. natürlich gibt es »unsaubere« wettbewerbe. aber in der summe setzt sich das gute durch. 

was macht einen guten designer aus? 

er muss zuhören können. design ist – überspitzt gesagt – eine kugel, die durch einen irrgarten rollt und immer wieder neue impulse erhält, bis sie irgendwann in das hoffentlich richtige loch fällt. man darf nicht versuchen, zwanghaft seine position durchzusetzen. man muss zuhören und die dinge aus der sache heraus entwickeln. gestaltung muss freude machen. sie muss gut aussehen. sie muss überraschend sein. 

was ist kommunikationsdesign? 

der begriff kommunikationsdesign ist sehr unbeständig und weitreichend, weil viele bereiche wie orientierungssystem, ausstellung und plakatgestaltung dazugehören. das ist schwierig. früher hieß es werbegrafik. danach kam die schweizer schule, dort hieß es gebrauchsgrafik. dann hieß es grafikdesign. dann hieß es visuelle kommunikation. der begriff »kommunikation« kommt von der hfg ulm. der kommunikative moment wurde von otl aicher als begriff geprägt, was ich ganz gut finde. das berufsbild und seine bezeichnung entwickeln sich ständig weiter. 

wie arbeitet man idealerweise mit einem kunden zusammen? 

gut. 

beziehen sie den kunden in ihre prozesse ein? 

diese frage stellt sich gar nicht. wir haben ein ganz spezielles klientel, die zu uns kommen, weil sie genau uns wollen. das ist eine auseinandersetzung. ich brauche ihren input. ich kann nicht losgelöst davon arbeiten. man muss dazu sagen, dass wir hauptsächlich corporate design und orientierungssysteme machen. bei einem orientierungssystem braucht man so viele informationen, da geht es hin und her. selbst der bundestag kommt mal nach stuttgart, da gibt es dann brezeln und guten cappuccino.  

ist ihre gestalterische arbeit schon mal abgelehnt worden? 

das passiert ganz selten, das wollen wir natürlich nicht. ich kämpfe sehr hart für meine entwürfe, dafür bin ich bekannt. und dafür, dass ich meine meinung sage, ganz egal, wer mir gegenüber sitzt. da bin ich knochenhart. (lacht) natürlich kann ich nur überzeugen, wenn ich hinter meiner arbeit stehe. wenn es dem kunden gar nicht gefällt, mache ich einen neuen entwurf, weil er sich damit identifizieren und wohl fühlen muss.  

gibt es auch leute, die ihnen kritik geben? 

ich hole mir kritik. mein bester freund, der leider vor zwei jahren gestorben ist, war architekt. er kam regelmäßig ins büro und wir haben die projekte besprochen. jetzt mache ich das mit der architektin, mit der ich zusammenarbeite – meiner frau. bei orientierungssystemen sind es die architekten, die uns sagen: »das ist gut, das ist schlecht.« wir machen das immer unter vier augen, nicht vor den kunden, was ich sehr angenehm finde.  

ist der austausch ihnen wichtig? 

ja, sehr. ein fremder blick gibt einem eine andere sicht auf die eigenen projekte. kritik ist ein teil des gestaltungsprozesses. 

gab es besonders schöne momente in verbindung mit kommunikationsdesign? 

natürlich. es ist schön, wenn man wettbewerbe oder wichtige aufträge gewinnt. dann knallen die sektkorken. das finde ich toll.  

welcher job war die größte herausforderung? 

wenn mich das thema interessiert, ist es immer eine herausforderung, egal, ob es ein großer oder kleiner job ist. die größte herausforderung war schon der wettbewerb für den deutschen bundestag. da habe ich gedacht: »mensch, so was kriegst du nie wieder in deinem leben!« das erscheinungsbild für das höchste demokratisch gewählte organ gestalten zu dürfen. den adler neu zu gestalten, denn es war verboten, den adler zu verändern. es war explizit in der ausschreibung erklärt, dass dies zum ausschluss vom wettbewerb führen würde. wir haben gesagt: »es ist schwachsinn, etwas neues zu gestalten. den bundesadler kennt jeder. aber wir verändern ihn so, dass er für printanwendungen funktioniert.« da sind wir ein hohes risiko eingegangen, das von der jury aber honoriert wurde.  

was sind ihre werte in bezug auf design? 

schönes aussehen. funktion. langlebigkeit. innovation. 

würden sie ethisch nicht vertretbare sachen gestalten? 

die frage hat sich mir ehrlich gesagt noch nie gestellt. ich bin noch nie in einen solchen gewissenskonflikt gekommen. ich lehne auch aufträge ab, aber aus anderen gründen. das würde ich auch tun, wenn ich es nicht mit meinem gewissen vereinbaren könnte. ich lehne ab, wenn ich denke, dass keine gute gestaltung dabei herauskommt. aber ich muss auch sehen, dass ich zwölf leute ernährt beziehungsweise monatlich bezahlt kriege.  

woher nehmen sie ihre inspiration? 

das ist arbeit, das erarbeitet man sich. ansonsten lese ich viel und schaue mir viel an. ich habe drei vorbilder: paul rand, otl aicher und anton stankowski. ich habe eine große bibliothek und kaufe mir regelmäßig gute, neue bücher. umgerechnet habe ich schon ein gutes einfamilienhaus in bücher investiert. lesen ist das wichtigste. 

was macht gute piktogramme aus? 

sie müssen einfach sein und klar verständlich funktionieren. otl aicher hat die piktogramme für erco gemacht und damit maßstäbe gesetzt. 

warum glauben sie, haben sie den wettbewerb für die kieler woche nicht gewonnen? wie finden sie das siegerplakat? 

das war schade, weil der entwurf nicht so stark war, wie wir es gekonnt hätten. das siegerplakat hat berechtigterweise gewonnen. es ist eine große auszeichnung, nach kiel eingeladen zu werden. es ist ein bekannter designwettbewerb, der jedes jahr anders gelöst wird. 

wieso nutzen sie für die anzeigen der firma bree nackte frauen, wenn alle anderen bereiche grafisch gelöst sind? 

ich war für die grafische lösung, wie wir sie auch für alle anderen kommunikationsmedien verwenden. allerdings wollte sich bree in mode-zeitschriften wie der vogue präsentieren. also haben wir ein bildkonzept erschaffen, das eine genauso klare sprache hat wie die produktfotografie hans hansens. wir stellen das wesentliche dar, ohne sexuell anstößig zu wirken. 

wie ist es, eine ausstellung mit den eigenen arbeiten zu sehen? 

es ist ein großartiges gefühl. eben da treffen kunst und design aufeinander. ich war ganz gespannt, ob meine arbeiten für die kunst »reichen«. aber auch den künstlern haben die grafiken gefallen. 

haben sie produkte von freitag? 

nein, ich finde die taschen nicht schön. außerdem arbeite ich für die firma bree, aber auch sonst hätte ich keine tasche von freitag. bree war übrigens die erste firma, die planen für ihre taschen benutzt hat. 

was denken sie über die diskussion über helvetica vs arial? 

die leute bekommen einen rechner, auf dem die arial automatisch als schriftart vorinstalliert ist. man kann ihnen keinen vorwurf machen. wenn sie eine gerade, klare schrift verwenden wollen, dann eben die arial. 

haben sie eine lieblingskampagne? 

ich mochte immer die kampagnen von benetton.