mario simon, nadja slave, 2014

»zeichen und codierungen in der (visuellen) kommunikation«

interview im rahmen einer expertenbefragung zur bachelorarbeit an der hfg schwäbisch gmünd

mario simon und nadja slave, 2014

wie sieht ihr lehrkonzept aus?
handwerk

haltung

heulen

was sind die grundsätzlich notwendigen inhalte einer gestalterischen grundausbildung?
denken lernen

setzen lernen

zeichnen lernen

schreiben lernen

sprechen lernen

gibt es eine art standardwerk, das studierenden den umgang mit den gestalterischen grundlagen erleichtert?
otl aicher: analog und digital, ernst & sohn; die welt als entwurf, ernst & sohn, berlin, 1991

friedrich forssmann & ralf de jong: detailtypografie, verlag hermann schmidt mainz, 2002

adrian frutiger: eine typografie, vogt-schild-verlag, solothurn; der mensch und seine zeichen, fourier; das gesamtwerk, heidrun osterer, philipp stamm, birkhäuser, boston berlin basel, 2008

martin hess: formvollendet, niggli verlag

paul rand: design, form and chaos, yale university press; a designers’ art, yale university press; von lascaux bis brooklyn, niggli

erik spiekermann: ursache und wirkung, ein typographischer roman, verlag hermann schmidt mainz

jan tschichold: schriften 1925–1975, (zwei bände), brinkmann & bose, berlin, 1992, hrsg. günter bose und erich brinkmann

hermann zapf: alphabetgeschichten von hermann zapf, mergenthaler edition linotype gmbh bad homburg, rit, cary graphic arts press, rochester/new york, 2007

welche bereiche umfasst eine gute typografische ausbildung?
typografische grundregeln (ein briefbogen)

gestaltung mit schrift (ein plakat)

mengensatz (ein buch)

geschichte (din klassifizierung, die 100 besten schriften, ...)

wir versuchen, schrift und zeichen als eine codierungsform zu verstehen, die der student nutzen kann, um (visuelle) informationen zu vermitteln. durch experimentelles arbeiten mit den gegebenen codes sollen dem studenten neue möglichkeiten im umgang mit selbigen aufgezeigt werden, welche neben den »regulären« oder »bekannten« möglichkeiten bestehen.

haben sie bereits mit einem solchen »experimentellen« arbeiten erfahrungen gemacht und befürworten sie dieses?

experimentelles arbeiten ist grundsätzlich wichtig für einen guten, oder selbst nur ordentlichen, umgang mit schrift. ein gefühl für schrift oder typografie stellt sich erst dann ein, wenn man mit schrift arbeitet. dies kann auf experimentellem wie auf herkömmlichen wege sein. der experimentelle umgang fördert die sensibilität um das potential von schrift als gestaltungsmittel zu begreifen.
wie kann dem studierenden das eigene kreative arbeiten mit schrift ermöglicht werden, unabhängig von den gelernten »gestalterischen regeln«?
der begriff des »kreativen arbeiten« ist problematisch. gestalterische regeln sind eine grundvorraussetzung. dass gestalterische regeln gebrochen werden dürfen, wenn man diese kennt, ist ein alter hut, aber deshalb nicht out of fashion. wenn man eine anspruchsvolle aufgabe stellt, zum beispiel das thema »moral« oder »ordnung« mit typogafischen mitteln zu visualisieren, wird ein »kreativer« umgang mit schrift gelernt. der inhalt verlangt nach einer eigenen typografischen form.
der bereich schrift beinhaltet auch den großen teil der schriftzeichen und sonderzeichen, bishin zu den glyphen. wie behandeln sie diesen bereich in ihrem lehrkonzept?
es ist selbstverständlich, dass der unterschied in der anwednung des langen bis-strichs beziehungsweise des kurzen bindestrichs erklärt wird. ebenso wird die richtige verwendung der anführungszeichen erläutert. das detail, wieviel raum zwischen einem wort und dem doppelpunkt oder den auslassungszeichen (drei punkte …), ein frage- oder ausrufezeichen optisch im besten falle haben sollte, bekommt genauso viel beachtung wie der richtige umgang mit tabellenziffern, dei denen die »1« besondere aufmerksamkeit bei der spationierung verlangt.
glauben sie, dass ein hier ebenfalls stattfindendes »experimentelles« arbeiten neue möglichkeiten aufzeigen kann und die verinnerlichung für diesen bereich fördert?
ja
inwieweit beschäftigt sich ihr fachbereich und lehrinhalt mit den nichtschriftlichen zeichen wie symbolen, piktogrammen … ?
in den letzten jahren wurden von mir verschiedene lehrveranstaltungen angeboten über die entwicklung von piktogramm-reihen oder für stereoypische bildzeichen wie zahnarzt, frisör und bestattungsinstitut.
wo finden sie inspiration für ihre gestalterische arbeit?
die gestalterische arbeit ist ein geschehen. es ist ein genaues abwägendes hinterfragen der aufgabenstellung, ein begreifenwollen der sache, ein entwerfen und verwerfen von gestalterischen möglichkeiten. das erzeugen von unterschiedlichen formen und nebenformen erlaubt dem entwerfer eine bewertung. die sachliche und nüchterne betrachtung dieser varianten befreit den gestalter von seinen persönlichen vorlieben, von »gestalterischen ideen« oder, schlimmer noch, von »kreativen einfällen«. das richtige ist nur eine möglichkeit von vielen. der schöpferische einfall ist zwangsläufig eine folge des arbeitsprozesses. jeder teilnehmer dieser auseinandersetzung hat unterschiedliche absichten. sie sind geprägt von geldmitteln, glaubensbekenntnissen, geschmack oder gestalterischen vorlieben. diese widerspiegeln die neigung zu musik, mode und möbel, bücher oder bezahlfernsehen. sie bestimmen die gestalt. die gestalt ist ein gefäß. es nimmt all das auf, was wir wollen: das schwache oder das mutige, das billige oder das schöne. die eingabe – das hineingeben in das gefäß ist alles. es ist die inspration.
haben sie ein lieblingswerk betreffend den bereich der schrift und zeichen?
umberto eco, der name der rose.