»weniger ist mehr«

andreas uebele über »weniger ist mehr«

jahr und fragensteller unbekannt.

welches ritual vereinfacht ihnen die arbeit?
kaffee trinken, das ist ein ritual, aber da gibt es ganz viele rituale. vor einem projekt zum beispiel setzen wir uns zusammen, mit einem skizzenbuch, wir denken laut, gespräche, in denen man sich bälle zuwirft. das ritual wird zum entwurf. ruhe, ein abgeschirmter raum. analoge mittel, ohne computer. unangenehme arbeiten schiebe ich gerne vor mir her, und wenn es dann gar keinen grund mehr gibt zu schieben und der termindruck so groß wird, räume ich meinen schreibtisch auf.
wann gehen sie systematisch von a nach z und wann fangen sie einfach bei f an?
bei a anfangen ist dann der fall, wenn man erst analysiert, strukturiert, und aus der struktur heraus gibt es dann plötzlich eine lösung. oder aus der architektonischen situation oder aus der aufgabe. bei f angefangen haben wir z.b. beim flughafen stuttgart. wir haben gesagt, wir wollen kräftige große signale. wir machen das schwarz, weiß, rot und große formate und nur versalsatz, hart und kräftig. dann hat man im nachhinein festgestellt, dass das für a, also für die struktur etwas ganz sinnvolles hat. gutes design ist immer deckungsgleich mit gutem inhalt, also mit einer guten struktur. auf die großen signale setzen wir die schrift normal groß drauf, so, wie das bei anderen systemen auch ist (messe stuttgart etc.). wir haben muster aufgehängt und festgestellt, dass man das rote signal aus 30 metern entfernung sehen kann, was dem besucher sicherheit gibt. ein kleineres format würde untergehen. das design, das aus formalen gründen entstanden ist, hat plötzlich, im nachhinein, eine funktionale richtigkeit gehabt. eine bauchentscheidung, die aber von erfahrung und rationalen überlegungen beeinflusst ist. wir haben aber auch oft situationen, bei denen wir sagen, wir würden mal gerne das und das ausprobieren, aber merken dann, dass es leider nicht geht und müssen dann zurück zu a.
kann man einfach denken?
ja, auf jeden fall! das kann man, glaube ich, sogar trainieren. es gibt leute, die denken unheimlich kompliziert und um fünf ecken herum. aber damit blockiert man sich selber. man muss zu jedem planungsschritt das denken, was gefragt ist. das ist schon mal eine wichtige vorraussetzung für das einfache denken. wenn ich ein orientierungssystem entwerfe, kann ich mir am anfang noch keine gedanken darüber machen, wie ich es putzen kann, wie kann ich es heben und wie ich es auswechseln kann. man sollte sich am anfang nicht sofort verzetteln. das einfache ist, wenn man das überflüssige weglässt. das einfache denken heißt auch, dass man sagt: »mach’s nicht kompliziert, halte die dinge einfach ... lass weg und komm zum wesen der dinge.« die einfachheit ist dann doch meist sehr komplex. eine einfache sache ist nicht banal, sondern sie ist einfach und komplex, aber lässt alles weg, was modischer firlefanz ist, oder zeichen von macht und größe (z.b. im unternehmen). einfach ist absolut positiv, wenn das überflüssige weggestrichen ist. einfach kann auch armselig sein, wenn es zu einfach ist. von stankowski gibt es einen guten satz: vereinfachen, versachlichen, vermenschlichen!
als kind gehen wir dinge intuitiv an, fällt ihnen das heutzutage schwer?
viele dinge geht man intuitiv an. die erfahrung blockiert einen, aus diesem intuitiven schatz zu graben, aber generell habe ich keine angst etwas falsch zu machen.
nach adolf loos ist ornament ein verbrechen. wie sieht für sie eine welt ohne verzierung aus?
wenn man werke von adolf loos genauer anschaut, sind diese sehr komplex. zu der zeit von adolf loos war alles extrem verziert. es ging ihm darum, die dinge auf eine funktion zurückzuführen. konzentration auf das wesentliche, das einfache. ich glaube es ging ihm nicht darum, architektonische prachtwerke wie die alhambra in frage zu stellen. wir machen orientierungssysteme, unsere arbeit ist zu einem prozentteil auch schmuck für das haus. dinge können ja so sein, dass sie eine funktion haben, aber in ihrer ausprägung schmücken. ich habe nichts gegen ornamente. man muss die dinge aus sich heraus entwickeln. schlimm ist, wenn das muster nur dekoration ist.
was bedeutet für sie die aussage: »weniger ist mehr«?
ja, das sind diese ganzen sprüche, die so kursieren. für mies van der rohe gilt das natürlich auch, wenn man seine bauten anguckt. der barcelona-pavillon ist ja ein augenschmaus! reich, was das visuelle erlebnis betrifft, die oberflächen, die materialien aber reduziert auf das minimale. ich glaube, durch die reduktion auf das einfache kommt man auf die essenz der dinge, und dann braucht man keinen zierrat mehr. der pavillon braucht kein ornament, er hat diesen stein, er hat das wasser, er hat eine skulptur und diesen ausgeschnittenen, grünen stein und das war es dann. die stützen hat mies van der rohe natürlich absolut ästhetisiert: um die kreuzstütze hat er noch mal messing oder edelstahl herumgelegt, was statisch und konstruktiv überhaupt keine funktion hat. natürlich könnte man hier sagen, das ist absolutes blendwerk, aber andererseits hat die stütze eine optische wirkung, weil sie spiegelt. ich glaube, so können wir beide, loos wie auch van der rohe, interpretieren.
bei der alltäglichen flut von botschaften: nach welchen kriterien selektieren sie?
ich selektiere visuell. ich glaube, dass alles, was gut ist, auch gut aussieht! inhalt und form gehören zusammen. ich gucke kein tv. ich lese zeitungen, zeitschriften, bücher. ich unterstütze den einzelhandel, der ist meistens auch visuell besser.
warum lassen wir uns nicht einfach die haare wachsen?
weil wir alles kultivieren, wir ästhetisieren alles. wir essen nicht mit den fingern, sondern entwickeln dafür besteck. selbst die form-follows-function-anhänger sind reine ästheten.
wie geht es ihnen, wenn sie ihr handy vergessen haben?
ich habe mein handy noch nie vergessen. es macht keinen sinn sich darüber gedanken zu machen. alles, was das leben einfacher macht, will man. das stellt man nicht in frage. natürlich können wir ohne strom, ohne licht, ohne computer arbeiten, aber wollen wir das? wenn ich nicht will, dass es bimmelt, mach ich es halt aus.
wann haben sie das letzte mal eine sache aus faulheit simpel gestaltet?
aus faulheit etwas einfach zu machen ... wann ist man faul? das einfache zu machen ist ein langer, schwieriger prozess und so aufwändig, dass man das nicht aus faulheit machen kann. man kann es nur aus faulheit armselig machen. aber das gute einfache, in unserem sinne, ist nicht einfach!
»das müssen die einfachen leute verstehen ...« was sind für sie einfache leute?
ich kann nicht beantworten, was einfache leute sind. dieses ondit lehne ich ab. die leute, die behaupten, »das muss der einfache mensch verstehen«, glauben ja, dass es den einfachen menschen gibt. ich glaube einfach nicht, dass es den einfachen menschen gibt.
»... weil das einfacher ist!« wieso hat diese aussage eine solche überzeugungskraft?
alles was einfacher ist, ist besser.
bedienungsanleitungen finde ich super, weil ... ?
finde ich überhaupt nicht super, es gibt ganz wenig gute beispiele. gut finde ich, wenn geräte selbsterklärend sind. gebrauchsanleitungen finde ich horror.
einfach schön oder schön einfach! wie wichtig ist das schöne?
der baum, der draußen steht, ist einfach schön. schön einfach? die büroklammer, dieses buch, dieses logo könnte schön einfach sein, aber das ist subjektiv. schön einfach ist für mich einfach schön. der baum hat seine richtigkeit, er hat eine funktion. warum finden wir blumen schön? warum finden andere spinnen nicht schön? eigentlich ist alles schön, was seine richtigkeit hat. was ist der mensch? was ist ein geiger ohne seine geige? kleidung muss nicht nur warm sein, da könnte ich mir ja auch ein fell anziehen. wir ästhetisieren alles. natürlich umgebe ich mich nur mit schönen dingen, ich bin nachsichtiger bei dingen, die mir gefallen, insofern bin ich natürlich toleranter.
wann und warum hatten sie das letzte mal angst, einfach zu machen ... ?
ich bin ein macher. einfach zu machen finde ich super, man kann sich ja immer korrigieren.