DOC. magazin der fakultät für design, hochschule münchen

2011 

 

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Wer sind Sie? Wo haben Sie studiert? Wie ist Ihr beruflicher Werdegang? 

Ich habe Architektur und Städtebau an der Universität Stuttgart studiert. Und ich durfte kurz - es hört sich jetzt vielleicht besser an, als es tatsächlich war - bei einem ganz berühmten und bedeutenden Mann studieren: Horst Rittel. Diplom habe ich gemacht bei Jürgen Joedicke. Bei Peter C. von Seidlein habe ich mein Vordiplom gemacht. Es war eine harte und strenge Schule, die ich aber als sehr gut empfand. 

Parallel wollte ich Kunst studieren, so habe ich mich auf der Kunstakademie in Stuttgart für freie Grafik beworben, was mit Grafikdesign nichts zu tun hat. Die freie Kunst in Stuttgart hat sich aufgeteilt in Malerei und Grafik. Ich war eineinhalb Jahre an der Stuttgarter Kunstakademie, aber ehrlich gesagt eher aus dem Grund, dass es früher ganz sexy war, Kunst zu studieren. Aber es wurde mir bald zuviel, da ich nebenher noch in einem Architekturbüro gearbeitet habe und mein eigenes Grafikdesignbüro mit kleinen Aufträgen hatte. Außerdem habe ich nebenbei an Architekturwettbewerben teilgenommen.  

Mein Studium habe ich selbst finanziert durch Mitarbeit in einem Architekturbüro und Autoschweißen. Mein Architektur-Studium habe ich mit Diplom beendet und bin danach zu Günter Behnisch gegangen. Das war damals und für lange Zeit danach das beste, bekannteste, angesehenste deutsche Architekturbüro. 

Bei Günter Behnisch habe ich fast fünf Jahre gearbeitet. Es war eine gute Zeit, ich konnte sehr viel von ihm und von seinem Büro lernen. Als ich die große Werkschau-Ausstellung »40 Jahre Behnisch & Partner« für die Galerie der Stadt Stuttgart umsetzen und gestalten sollte, hat Günter Behnisch wohl auch gesehen, dass ich mehr als Grafiker tauge wie als Architekt. 

Was war Ihre erste grafische Arbeit? 

Früher habe ich viele Briefe geschrieben, die Briefumschläge dazu gestaltet und an alle möglichen Freunde geschickt. Ein Freund von mir studierte Musik und hat für seine Kommilitonen die Film-AG organisiert. Dazu sollte ich ein Plakat gestalten. Daraufhin habe ich ein Plakat gemalt, ganz einfach mit Farben auf einem Karton. Mit dieser Arbeit bin ich in die Druckerei gegangen und wollte das Plakat drucken lassen. Die Drucker haben sich erstmal auf die Schenkel geklopft und meinten, dass ich zuerst eine Repro bräuchte. Und die Schrift, die ich per Hand auf das Plakat gemalt habe, müsste erstmal gesetzt werden. Vom Satz verstand ich nichts. Der Drucker erläuterte: »Satz: Das sind Buchstaben, Schriften...«. Ich daraufhin: »Gibt’s denn mehrere?« 

Wie wurde aus Ihnen, dem Architekten, dann der Grafiker? 

Ich habe mir vieles erfragt und mir selbst beigebracht durch Machen und Lesen. Ich habe angefangen, viel von Jan Tschichold zu studieren. Damals gab es nicht soviel Literaturmaterialien. Das Buch »Ursache und Wirkung« von Erik Spiekermann fand ich auch sehr gut. Alles Wichtige kurz und knapp gesagt: 1993 hatte ich mein erstes Projekt unter meinem eigenen Namen realisiert. Als ich bei Günter Behnisch aufhörte, hatte ich viele eigene Aufträge und so bin ich Grafiker geworden. Das war 1995. 

Wie alt waren Sie, als Sie von der Architektur zu Grafikdesign gewechselt haben? 

Ich war so 34 bis 35 Jahre alt, also relativ alt. 

Wir haben vorhin bei Ihnen das Orientierungssystem für den Stuttgarter Flughafen gesehen. Der Flughafen Münchens ist in den letzten Jahren bei den »World Airport Awards« immer wieder als einer der fünf besten der Welt und bester Europas ausgezeichnet worden. Spielt das Orientierungssystem hierbei eine Rolle? 

Mit Sicherheit. Otl Aicher wurde früh in die architektonischen Planungen einbezogen und entwarf das Konzept dafür. Es gibt ja auch Literatur darüber. Das Münchner Gestaltungsbüro »Eberhard Stauss« war auch maßgeblich beteiligt. Es war eine großartige Arbeit. Sie haben einen Masterplan erstellt, z.B. darüber, dass Bäume in einem bestimmten Raster angepflanzt werden sollen oder dass Brücken keine geschlossenen Geländer haben sollten, dass die Architekturfarbe ausschließlich nur Silber oder Weiß sein dürfe. Das alles hat Otl Aicher festgelegt. Als Otl Aicher mit dem Büro »Stauss« beim Kunden einen Vorentwurf präsentierte, wollte der Kunde die Farbe Lila nicht. Daraufhin hat Otl Aicher gesagt: »Rutscht mir doch den Buckel runter. Mach´ es doch alleine fertig.« 

Letztendlich ist die Handschrift Aichers bis heute deutlich sichtbar. Das Münchner Gestaltungsbüro »Wangler und Abele« hat, aus welchen Gründen auch immer, im neuen Terminal leider die Farbe durch Grau ersetzt. Warum, weiß ich nicht. Nichtsdestotrotz ist die Arbeit immer noch sehr gut. Das ist eine, jetzt nehme ich auch mal ein englisches Wort, »Benchmark«- eine hohe Messlatte. 

Kann so ein gut funktionierendes Orientierungssystem nicht auf andere Flughäfen übertragen werden? 

Selbstverständlich. Man kann genau das gleiche Orientierungssystem übernehmen. Aber selbst dies zu erreichen, ist sehr schwierig. Letztendlich hat dieses Projekt nur ein Format, das nur manchmal durchbrochen wird. Dann nur eine Farbe, eine Schrift, ein Schnitt. Als wir das Orientierungssystem für die Stuttgarter Messe konzipiert haben, war die Aufgabenstellung ähnlich. Die Frage tauchte auf, ob ein Orientierungssystem überhaupt anders umgesetzt werden könnte. Eine andere Schrift? Ein anderer Schnitt? Eine andere Farbe? Dies umzusetzen ist sehr schwer. Auch wenn man natürlich etwas Eigenes erfinden will, selber was kreieren möchte, das ist Freude. Und natürlich will man sich auch von Anderem unterscheiden. 

Wie ist der Trend bei Ihren Kunden? Was wünschen sie sich? 

Trend? Trend ist was ganz Schlimmes. Das Allerletzte. 

Aber was wünschen sich die Kunden oft bei der Zusammenarbeit? 

Wir werden oft von Architekturbüros in Verfahren eingebracht und vorgeschlagen. Diese wollen schon einen Beitrag von uns, der eine eigene Welt darstellt. Beim direkten Kontakt mit dem Bauherr sieht es etwas anders aus. Ich habe mal beim Bauherr Entwürfe präsentiert, die etwas schwach waren. Der Bauherr, die Landesbank Baden-Württemberg, meinte, dass er sich mehr von uns erwartet hätte. So eine Reaktion fand ich gut, auch wenn ich kleinlaut nach Hause gefahren bin. Für schlechte Entwürfe gibt es nie eine Ausrede. Zu sagen, dass der Kunde schlechte Arbeiten haben würde, gibt´s nicht. Wir sind selber für die Qualität verantwortlich. Einen guten Entwurf bekommt man mit Argumentation immer durch. 

Man muss dafür arbeiten, alles vorbereiten und man muss in der Sache fehlerfrei sein. Es muss von der Technik funktionieren,von den Kosten. Es muss inhaltlich, vor allem auch in der Informationsvermittlung, funktionieren. Aber wenn man argumentativ auf wackligen Beinen steht, kann man es eh gleich vergessen. Selbst bei besonders experimentellen Ideen, die technisch gewagt sind, kann man konventionell denkende Kunden überzeugen, wenn man sachlich argumentiert: Warum man gerade dieses Konzept umsetzen will. Die Gestaltung muss meiner Meinung nach aus einer Sache geboren sein. Wenn man dies verständlich machen kann und dass Design nicht als Styling definiert ist und nicht aus dem Designwillen heraus gewachsen ist, sondern dass Gestaltung aus dem Inhaltlichen sich ableiten lässt, kann der Kunde alles auch besser nachvollziehen und nach außen vertreten und kommunizieren. Das ist eigentlich alles. 

So ähnlich wie bei der Gestaltung des Bundestagsadlers, bei der Sie sich über die Vorgaben hinweggesetzt haben? 

Das Risiko war damals sehr hoch. Es war ein Wettbewerb mit 54 Agenturen, in der zweiten Runde nur noch 12. Mir war klar: so ein Auftrag kommt einem nur einmal im Leben vor. Im Briefing war ein ganzes Din A4-Blatt voller Juristerei. Man durfte die zweidimensionale Zeichnung des Bundestagsadlers nicht verändern. Wir haben dann angefangen zu argumentieren, mit einer PDF-Präsentation mit ersichtlichen Veränderungen zwischen dem alten und unserem Adler, in verschiedenen Größen, in unterschiedlichen Anwendungen etc. Wir haben vor der Jury - Norbert Lammert, der Bundestagspräsident war ebenfalls anwesend - einen Vortrag auf eine ganz technischen Art und Weise gehalten, wie ich es meinen Studenten auch erläutern würde. Ich habe jedes Detail erklärt. Danach haben sie es verstehen können und festgestellt, dass es wirklich auch nur so sein kann.  

Man muss die Kunden ernst nehmen, wir nehmen alle unsere Kunden ernst. Wir argumentieren, warum wir z.B. diese Farbe nehmen und keine andere und aus welchem Grund. Man braucht für alles einen sachlichen Grund. Es spielt überhaupt keine Rolle, ob einem irgendwas gut gefällt oder ob man irgendwas schön findet. Man muss für alles, für die Schrift, für die Farbe, für das Material, einen Grund haben. Im Normalfall folgen uns alle Kunden. Man kann es so sagen. Aber man muss dafür arbeiten. 

Inwieweit ist Ihre Handschrift bei den vielen Projekten noch erkennbar? 

Es ist sehr unterschiedlich. Früher, als ich das Büro alleine geführt habe, haben die Projekte noch ganz anders ausgesehen. Ich denke, dass jetzt die Arbeiten besser geworden sind, seit ich nicht alles alleine mache. Ich bin distanzierter zu den Arbeiten. Meine Mitarbeiter präsentieren mir Entwürfe und mir geht´s öfters so wie den Kunden: »Oh Gott, was ist denn das?«. Meistens habe ich selbst Druck und wenig Zeit und konzentriere mich dann nur noch auf das Wesentliche. Für mich ist das eigentlich ein Vorteil. Und meine Haltung ist trotzdem in den Projekten zu erkennen. 

Inwieweit erkennt man auch bei den Studentenprojekten Ihre Handschrift? 

Bei Studenten? Bei einem jungen Menschen, der Design studiert, halte ich es für gut, wenn man ihm den Weg zeigt und die Perspektive aufweist. Ich tue es in einer ganz klaren, deutlichen Weise. Der Student kann gerne anders denken, er kann sich gerne an mir reiben, ich biete eine Reibungsfläche an. Ich bin immer sehr dogmatisch mit meinen Äußerungen, was manche problematisch finden. Es ist manchmal gar nicht so gemeint, aber damit ist eine Haltung gesetzt. Der Student kann es gut oder weniger gut finden. Und er kann es wenigstens mal ausprobieren. Aber dieses »Wischiwaschi-Probieren-Sie-es-erstmal-aus« finde ich ganz schrecklich. Was soll denn der Student ausprobieren? Er kennt doch nichts, er kennt die Geschichte nicht, er weiss nicht mal, wie das Probieren geht. Ich habe ganz strenge Lehrer gehabt und mich immer gerne von starken Lehrerfiguren prägen lassen.  

Ich adaptiere auch alles. Das ist auch nicht schlimm, denn später kann man es wieder ablegen. Man kann sich später auch davon emanzipieren. Aber man soll versuchen, alles aufzunehmen, das ist sehr wichtig. 

Haben Sie selbst Vorbilder? 

Otl Aicher. Paul Rand. Anton Stankowski. Man soll seine Vorbilder nachmachen, um zu verstehen und zu lernen. Und man muss später den Weg finden sich davon freizumachen. Epigonen finde ich ganz furchtbar. Das darf man natürlich nicht machen. 

Gestalten Ihre Studenten wie Sie? 

Dass Studenten so gestalten wie die Lehrer, ist überhaupt nichts Schlimmes. Woher sonst soll denn das alles kommen? Man ist als Student unbeleckt und unbedarft. Man kann nicht verlangen, dass die Studenten ihre Persönlichkeiten zum Entwickeln bringen. Es sind junge Menschen, die müssen erstmal ihren persönlichen Kram vergessen, das Vorleben, dieses ganze Zeug. Das ist meine Meinung. Da finde ich es wichtig, dass man eine Haltung beigebracht bekommt. Man muss lernen, eine Haltung zu formen. Es muss nicht die einzig allein seligmachende Wahrheit sein, aber man muss als Lehrer Haltung vermitteln. Ich bin mir im Klaren, dass es schwer ist, sich davon zu befreien, sich davon zu emanzipieren; vor allem, wenn der Lehrer sehr dominant ist. Sich davon zu lösen und eine eigene Haltung zu bilden, schaffen nur die Starken und die wirklich Guten. 

 

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